Reisach – Römische Grabplatte
In Reisach im Gailtal, an der Bundesstraße 111, befindet sich das sogenannte „Gangl Stöckl“. Es handelt sich dabei um einen Bildstock, wohl aus der Zeit der Grafen von Görtz (Wappen der Görtzer Grafen ist sichtbar). Die Ostseite des Schaftes trägt einen römischen Schriftstein.
Gefunden wurde diese römische Grabplatte am Mitterweg, einem noch heute genutzten Feldweg. Der Fundort liegt ein wenig nord-östlich des Troi Stöckels, welches an die verschüttete keltische Stadt Troi Risa erinnern soll.
Der Inschrift Text lautet:
D[is] M[anibus] AMAMDO T[iti] IUL[ii]SATURNINI SER[vo] C[ontra] S[criptori]MATURUS ET MERCATORVILICI B[ene] M[erenti]
Die Übersetzung:
DEN TOTENGÖTTERN (geweiht)- DEM AMANDUS, SKLAVEN UND ZOLLBEAMTER DES TITUS IULIUS SATURNINUS,
DEM WOHLVERDIENTEN MANN, (haben) DIE ZOLLVERWALTER MATURUS UND MERCATOR (das Grab errichten lassen).
(Quelle: Seite 43 | Urgeschichtliche, römerzeitliche und frühgeschichtliche Funde im Bezirk Hermagor von Universitätsprofessor Dr. Gernot Piccottini )
Alternative Übersetzung und Deutung des Projektteams
Im Rahmen unserer Forschungen zu Troi Risa bieten wir hier dem Leser auch eine alternative Übersetzung der Grabplatte an. Diese Übersetzung und Interpretation stellt vor allem die genannten Namen in den Fokus. Amandus und Saturninus, zwei bekannte Persönlichkeiten aus der römischen Geschichte stehen wohl kaum zufällig auf ein und derselben Grabplatte. Es könnte sich dabei um 2 keltische (gallische) Usurpatoren aus dem 3 Jahrhundert nach Christus handeln. Auch wenn dies vielleicht nur eine fiktive Geschichte ist, ist sie dennoch eine Spannende. Ihre Unrichtigkeit kann ebenfalls nicht gesichert belegt werden; da die bisherigen Übersetzungen mit zahlreichen Fragezeichen versehen sind.
DEN TOTENGÖTTERN (geweiht)- DEM AMANDUS, SKLAVE/GEFLOHENER/ DES (GAIUS?) TITUS IULIUS SATURNINUS puttygen ssh ,
DEM EHRWÜRDIGEN MANN/ANFÜHRER/, (haben) DIE VERWALTER/RECHTE HAND (viel. im Sinne von Weggefährten) MATURUS UND MERCATOR (das Grab errichten lassen).
Zur möglichen Geschichte des Amandus
Der Name Amando oder Amandus findet sich in der römischen Geschichte im 3. Jahrhundert nach Christus. Dabei ist mit Amandus (✝286 n. Christus) ein gallischer Bagaudenführer gemeint. Aus Sicht Roms war es sogar ein barbarischer Gegenkaiser (Usurpator). Bagauden werden als Sklaven, Bauern, Geächtete, Desserteure, zumindest aus der Sicht Roms bezeichnet. Eine Ansammlung vielleicht sozial Deklassierter. Kaiser Deokletian lies den Bagaudenaufstand nieder werfen, über den Verbleib des Amandus ist nichts weiteres bekannt. In dieser Zeit begann das Römische Reich bereits zu bröckeln. Es entstand im Reich ein Machtvakuum. Viele Stammesführer liesen sich damals zu Usurpatoren (eine Art Gegenkaiser) ausrufen. Meist wurden diese Aufstände von Rom blutig nieder geschlagen und die Usurpatoren fielen in der Schlacht oder wurden hingerichtet.
Unser Amandus von der Grabplatte könnte durchaus einer dieser Aufstandsanführer gewesen sein. Wir wissen vom römischen Geschichtsschreiber Eutropius von Amandus. Er schreibt über ihn in seiner Breviarium Liber Nonus. Wir wissen von ihm, dass Amandus Gallier war, d.h. Kelte, wie auch die Bewohner von Troi Risa und wir wissen, dass sein Bagaudenaufstand niedergeschlagen wurde. Über den Verbleib des Amandus wissen wir jedoch nichts. Vielleicht ist er in den Norden geflohen, zu keltischen Verbündeten. Norikum war zwar auch von den Römern besetzt, jedoch galten hier Sonderrechte. Auch könnte er bis zu seinem Tod hier in der Region geblieben sein. Erst nach seinem Tod, widmeten ihn seine Nachlassverwalter Maturus und Mercator (vielleicht romanisierte Kelten) ein Ehrengrab. Es ist das Wort SER>S, dass uns hier in der Inschrift möglicherweise weiter hilft. Dieses könnte bedeuten vom Sklaven (SER) > zum SANCTUS, d.h. zum Ehrwürdigen oder zum Erhabenen. Damit könnte auch ein Anführer gemeint sein, bzw. eine hohe Persönlichkeit, die vielleicht in den Bagaudenaufständen zumindest für keltische Stämme, zu hohem Ansehn gekommen ist. Links findet sich die Münze des Amandus. Wahrscheinlich handelt es sich dabei weniger um ein Abbild im Sinne der Verherrlichung des Bagauden. Es könnte sich durchaus auch um eine Art Fahndungsfoto von Seiten Roms gehandelt haben, um den Bagaudenführer habhaft zu werden.
Ebenfalls in diese Zeit passt der Name des (Gaius?) Titus Iulius Saturninus (✝281 n. Christus). Ebenfalls ein Gegenkaiser, wahrscheinlich auch aus Gallien oder Hispanien, d.h. möglicherweise auch Kelte. Saturninus könnte vielleicht ein mögliches Vorbild des Amandus in seinem Aufstand gewesen sein. Vielleicht nennt ihn deshalb die Grabplatte persönlich.
Es handelt sich bei dieser Interpretation um Spekulation. Dennoch gibt es beide Persönlichkeiten, den Amandus und den Saturninus, in einer gemeinsamen Periode der römischen Geschichte.